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Ein Jahr vegetarisch – Ein Zwischenfazit

Es war der zweite Weihnachtsfeiertag 2021. Es gab Rouladen mit Knödeln und Rotkraut. Das sollte es also werden, mein letztes Fleischgericht. Es war lecker, es wird auch weiterhin lecker sein. Allerdings passt es für mich einfach nicht mehr mit meiner Art zu leben zusammen. Ich habe mir schon länger vorgenommen, achtsamer zu leben. Was auch immer das bedeutet…

Gefühlt ist es von allem zu viel. Damit meine ich nicht nur meinen bzw. unser aller Konsum. Die Geschwindigkeit im Leben, Stress, Mediennutzung, einfach alles. Aber das würde jetzt zu weit führen.

Durch meinen Sport und mein Vorhaben gesünder zu leben habe ich in den letzten Jahren schon einige Ernährungsumstellungen erreicht. Ich trinke fast ausschließlich Wasser, schwarzen Kaffee und Tee. Das Projekt zuckerfreie Ernährung scheitert dafür regelmäßig. Dafür ist der Anteil vegetarischer Ernährung in meinem Alltag über die Jahre konstant gewachsen. Das ist mitunter gar nicht so einfach, da ich zum einen in meinem familiären Umfeld nur Fleischesser um mich habe, zum anderen arbeite ich in der Gastronomie. Aktuell zwar nicht mehr ausschließlich in der Küche, aber dafür in der Gemeinschaftsverpflegung mit einem sehr hohen Fleischkonsum.

Vegetarisch oder vegan kommt hier nicht so gut an. Es wurde zwar über die letzten Jahre besser, aber Schnitzel oder Currywurst mit Pommes sind nach wie vor die meistverkauften Gerichte. Dabei geben wir uns Mühe andere Angebote zu machen. Im Januar unterstützen wir den Veganuary*, haben eine Kooperation mit Veganz* und bieten in verschiedenen Aktionswochen über das Jahr verteilt vegetarische und vegane Gerichte in unserem Betriebsrestaurant an. Selbstverständlich kann man täglich auch ordentliche vegetarische Gerichte bei uns auf der Karte finden.

Vielleicht war es aber auch die Erfahrung der letzten Jahre in der Gemeinschaftsverpflegung, die meine Entscheidung hat reifen lassen. Günstig muss es sein, viel und satt machen. Das ist die Erfahrung, die ich in den letzten Jahren immer wieder machen musste. Egal wo das Fleisch herkommt – Hauptsache Fleisch. Die Aussagen wie „ich kaufe nur gutes Fleisch“ und „so oft in der Woche esse ich gar nicht Fleisch“ halte ich mittlerweile für kognitive Verzerrung. Wenn man ehrlich ist, kauft man halt doch sehr selten beim Metzger um die Ecke sein Fleisch oder greift zum Bioprodukt.

Zurück zu mir.

Natürlich musste ich mich in den ersten Tagen und Wochen erklären, warum ich kein Fleisch mehr essen möchte. Aus gesundheitlichen Gründen? Möchtest Du abnehmen? Ist das so eine Challenge? Nein – ich finde es nicht mehr zeitgemäß! Für viele war die diese Antwort irritierend. Ich mache das also nicht nur für mich? Kein Egoismus? Reflexartig kommen dann meist die bereits genannten Sätze. Warum das so ist, kann und mag ich nicht beurteilen. Vielleicht um das eigene Gewissen zu beruhigen? Ich möchte doch niemanden missionieren, denn das funktioniert in den seltensten Fällen. Wenn dann doch mal ein Gespräch oder eine Diskussion entsteht, fällt auch irgendwann immer folgender Satz: „Was ich nicht verstehe, wenn ihr Veganer (ich bin also Teil einer anderen, gegnerischen Gruppe) kein Schnitzel mehr essen wollt, warum gibt es dann vegane Schnitzel und Würstchen?“

Ich könnte dann mit Produkten wie Fischstäbchen, Gesichtswurst, Kochschinken oder 1000 anderen Produkten kontern, lasse es aber. In den Augen vieler, aber vor allem in den Augen der Lebensmittelindustrie ernähren sich Veganer und Vegetarier ja ausschließlich von Schnitzeln, Burgern, Nuggets und Gemüsebratlingen. Dabei hat die vegane und vegetarische Küche so viel zu bieten. Ich persönlich halte die indische und generell die asiatische Küche für den Maßstab der kommenden Jahre. Unser Konsum wird es auf Dauer nicht mehr gestatten, dass wir wie in den vergangenen 50 Jahren Unmengen von Fleisch verzehren.

Für mich als Koch ist es nach all den Jahren, in dem ich Fleisch als Produkt gesehen und verarbeitet habe, eine ganz neue Welt die sich öffnet. Ich lerne nach über zwanzig Jahren neue Methoden, Garverfahren und Gerichte. Das ist das schöne an meinem Beruf. Man lernt wirklich nie aus. Mir geht es sehr gut mit meiner Entscheidung und ich bin mir sicher, dass ich mich in den kommenden Jahren zunehmend vegan ernähren werde. Aktuell bin ich noch zu bequem dafür.

Am Ende ist da dann nun doch etwas Egoismus. Natürlich mache ich es auch für mich, für meine Gesundheit und für mein Gewissen. Halt auf eine andere Art und Weise und von einem anderen Standpunkt aus.

*unbezahlte Unternehmensnennung

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